Digital Services ActKlaffende Lücken in der Transparenz

Es wird noch dauern, bis der Digital Services Act sein Versprechen von umfassender Transparenz über die Moderationspraktiken von Plattformen erfüllt. Seit einigen Monaten ist die Verordnung vollständig in Kraft, trotzdem befüllen bislang fast nur besonders große Online-Dienste die Transparenzdatenbank der EU.

Eine Lupe ist auf ein Tablet-Display gerichtet, auf dem sich Apps großer Online-Dienste befinden.
Die mit dem Digital Services Act eingeführte Transparenzdatenbank soll das Verhalten von Online-Diensten durchschaubarer machen. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Hans Lucas

Die Umsetzung der Transparenzvorgaben des Digital Services Act (DSA) in der Fläche verzögert sich. So befüllt bislang nur ein einziger kleinerer Online-Dienst die Transparenzdatenbank des DSA. Das geht aus einer Antwort des EU-Binnenmarktkommissars Thierry Breton auf eine Frage des inzwischen aus dem EU-Parlament ausgeschiedenen Abgeordneten Patrick Breyer hervor. Ansonsten enthält die Datenbank bislang nur Angaben der besonders großen Plattformen, die direkt von der EU-Kommission beaufsichtigt werden.

In Betrieb ist die öffentlich zugängliche Datenbank seit dem Vorjahr. Sie soll mehr Transparenz in das Verhalten von Online-Diensten bringen, die bislang weitgehend unreguliert Inhalte von Nutzer:innen entfernt, verborgen oder sonstwie moderiert haben. Dem DSA nach, der im Februar vollständig in Kraft getreten ist, müssen sie alle ihre Moderationsentscheidungen in einem maschinenlesbaren Format übermitteln und grob offenlegen, aus welchen Gründen sie bestimmte Entscheidungen getroffen haben.

Für sehr große Online-Plattformen mit über 45 Millionen monatlichen Nutzer:innen in der EU, sogenannte VLOPs („Very Large Online Platforms“) wie Facebook oder Pinterest, gelten die Regeln bereits seit knapp einem Jahr. Sie haben im vergangenen Herbst erstmals entsprechende Daten übermittelt. Alle anderen erfassten Anbieter müssen sich erst seit einigen Monaten an die Auflagen halten.

Ohne Koordinierungsstelle kein Zugang zur Datenbank

Während die VLOPs von der EU-Kommission kontrolliert werden, sind für die kleineren Dienste eigens eingerichtete Koordinierungsstellen im EU-Land zuständig, in dem der jeweilige Anbieter angesiedelt ist. In Deutschland wurde die Bundesnetzagentur für die Aufgabe als „Digital Services Coordinator“ (DSC) abgestellt. Diese Behörden übernehmen auch den sogenannten „Onboarding“-Prozess, der einen möglichst reibungslosen Austausch mit der Transparenzdatenbank sicherstellen soll.

Doch in vielen EU-Ländern, darunter Deutschland, hat sich die Ernennung der DSCs verzögert. Gegen einige Staaten hat die EU-Kommission deshalb sogar Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Und ohne ein vollständig abgeschlossenes Onboarding, das von den jeweiligen DSCs begleitet wird, sei kein Zugang zu der Datenbank möglich, führt Breton in seiner Antwort aus.

„Derzeit übermittelt eine Nicht-VLOP-Plattform aktiv Inhalte an die DSA-Transparenzdatenbank, während sich 30 Nicht-VLOP-Plattformen mit den DSCs im Onboarding-Prozess befinden und einen Test ihrer Übermittlungssysteme in einer Sandbox-Umgebung der DSA-Transparenzdatenbank abschließen“, schreibt der EU-Kommissar. Aufgrund der hohen Anzahl von Online-Diensten und der Verzögerung bei der Ernennung der DSCs werde der Prozess wohl noch einige Monate dauern, so Breton.

1.500 deutsche Plattformen müssen Transparenz schaffen

Dies dürfte auch für Deutschland gelten. Im Vorjahr hatte die Bundesnetzagentur eine Studie in Auftrag gegeben, um die für den deutschen DSC relevanten Marktakteure zu identifizieren. Demnach gibt es hierzulande knapp 1.500 Onlineplattformen, die sich an die Regeln halten müssen. Offenbar hat sich das aber noch nicht so recht herumgesprochen: „Bisher wurden dem deutschen DSC etwa 30 Registrierungen deutscher Plattformen durch die EU-Kommission mitgeteilt“, gibt eine Sprecherin der Behörde gegenüber netzpolitik.org an.

Der DSC werde in Kürze diese Plattformen zwecks Validierung ihrer Daten kontaktieren, so die Sprecherin. „Darüber hinaus werden wir alle uns zur Verfügung stehenden Informationswege nutzen, um deutsche Plattformen über ihre Registrierungspflicht in der EU-Transparenzdatenbank zu informieren.“

Wie sich der Datenbank entnehmen lässt, handelt es sich bei der einen bereits meldenden kleineren Plattform um die Shopping-Plattform Joom. Das Unternehmen wurde ursprünglich in Lettland gegründet, hat seinen Hauptsitz aber inzwischen nach Portugal verlegt. Offenkundig war ein rechtzeitiges Onboarding dennoch möglich. Mit rund 3.000 Einträgen verblasst jedoch die von dem Unternehmen übermittelte Zahl der Moderationsentscheidungen im Vergleich zum Spitzenreiter Google Shopping. Dieser hat weit mehr Inhalte angefasst als alle anderen Anbieter zusammengerechnet, mehr als zwei Milliarden.

Noch sind es erste Schritte

Bis die Datenbank ihren Zweck vollständig erfüllt, dürfte noch einige Zeit ins Land ziehen. Etwa seien die übermittelten Daten nicht einheitlich genug, um sie wirklich miteinander vergleichen zu können, lauteten die Reaktion auf den ersten Zwischenstand im Herbst. Zugleich lässt sich aber jetzt schon ablesen, dass beispielsweise TikTok rund 350 Mal öfter Moderationsentscheidungen pro Nutzer:in trifft als X (ehemals Twitter), ergab eine der ersten Studien, die auf das Zahlenmaterial zurückgegriffen hatte.

Trotz der ersten „positiven Schritte“ sollte die EU-Kommission die Online-Dienste dazu drängen, die Regeln einheitlich auszulegen und ihre Entscheidungen ausführlicher zu begründen, fordert die Rechtswissenschaftliche Fakultät Leuven in Belgien. Tiefere Einblicke sollte der ebenfalls im DSA vorgesehene Zugang für Forschung gewähren, der allerdings auch noch nicht umfänglich ins Rollen gekommen ist.

Zumindest hat indes der politische Druck gewirkt: Nachdem Meta im März überraschend den Zugang zum Analysetool CrowdTangle für Journalist:innen abgeklemmt hatte, reagierte die Kommission mit einer Prüfung. Knapp einen Monat später öffnete Meta den Dienst wieder, mit dem sich unter anderem die Ausbreitung von Desinformation untersuchen lässt.

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4 Ergänzungen

  1. > In Betrieb ist die öffentlich zugängliche Datenbank

    Wer ist Betreiber der Datenbank?
    app.powerbi.com
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    Beide gehören zu Microsoft, Tracking inclusive.

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